Von Theo Schoenaker:
„Ermutigung ist der Boden, auf dem Selbstvertrauen wachsen kann.“

 

Manchmal führen uns Zufälle genau dorthin, wo wir hingehören.


So war es auch bei mir und der Individualpsychologie – es war Liebe auf den ersten Blick.

Während meines Psychologiestudiums war ich auf der Suche. Nicht nur nach Fakten oder Methoden, sondern nach einem Verständnis, das die Tiefe menschlicher Beziehungen wirklich erfasst. Ich wollte wissen, was Menschen innerlich bewegt – was sie stärkt, was sie hemmt und wie Veränderung wirklich möglich wird. Dabei war mir schnell klar: Reines Fachwissen reicht nicht. Es braucht Haltung, Perspektive und vor allem Beziehung. Und so begab ich mich auf die Suche nach Ausbildungen, die genau das verbinden.

Eher zufällig – oder vielleicht doch nicht ganz zufällig – stieß ich auf das Ermutigungstraining von Theo Schoenaker. Ein Name, der mir damals noch nichts sagte, heute aber für einen wichtigen Wendepunkt in meinem Leben steht. Theo Schoenaker war Schüler von Rudolf Dreikurs, der wiederum Schüler und enger Vertrauter von Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, war. Eine Linie, die über Generationen hinweg nicht nur Wissen, sondern vor allem Haltung vermittelt hat.

Die Kraft der Ermutigung

Diese Ausbildung zur Ermutigungstrainerin war mehr als ein Kurs – sie war ein Erlebnis. Zum ersten Mal habe ich nicht nur kognitiv verstanden, was Ermutigung bedeutet, sondern ich habe es erlebt, gespürt, durchlebt. Ich habe erfahren, wie tiefgreifend sich eine ermutigende Haltung auf das eigene Selbstwertgefühl, die Selbstwahrnehmung und den Blick auf andere auswirken kann. Theo Schoenaker war dabei nicht einfach ein Lehrer – er war ein Vorbild. Seine Art zu lehren war durchdrungen von echtem Interesse, Achtung und einem tiefen Vertrauen in das Entwicklungspotenzial jedes Einzelnen.

Ermutigung wurde für mich mehr als ein pädagogisches Werkzeug – sie wurde zu einer inneren Haltung. Denn ein stabiles Selbstwertgefühl braucht nicht nur Wissen über sich selbst. Es braucht Beziehung und Resonanz, Spiegelung und Wertschätzung. Es entsteht in Räumen, in denen Menschen sich gesehen und angenommen fühlen – nicht für das, was sie leisten, sondern für das, was sie sind.

Bindung und Beziehung – eine persönliche wie fachliche Reise

Mit dieser Erfahrung im Gepäck setzte ich meine berufliche Reise fort – und fand meinen Platz bei der affido GmbH, wo ich als Fachberaterin für Familienpädagog:innen tätig wurde. In dieser intensiven Arbeit mit pädagogischen Fachkräften, Eltern und Systemen wuchs meine Überzeugung weiter: Beziehung ist der Schlüssel. Und Bindung ist ihr Fundament.

Ich begann mich intensiv mit der Bindungstheorie auseinanderzusetzen – und nicht nur auf theoretischer Ebene. Die Erkenntnisse über sichere und unsichere Bindungsmuster, über frühkindliche Erfahrungen und ihre lebenslangen Spuren berührten mich tief. Ich erkannte, wie stark Beziehungserfahrungen unser Verhalten, unsere Sicht auf uns selbst und unsere Fähigkeit zur Regulation prägen. Bindung wurde für mich zur Landkarte, mit der ich menschliches Verhalten verstehe – und begleite.

Heute bin ich Bindungsexpertin, aber mehr noch: Ich bin überzeugt davon, dass echte Entwicklung nur in Beziehung möglich ist. Und dass Beziehung ohne Ermutigung nicht denkbar ist. Beide Konzepte – Bindung und Ermutigung – greifen für mich ineinander wie zwei Zahnräder, die ein stabiles System formen.

Individualpsychologie – ein Kompass für Entwicklung

Um mein Wissen zu vertiefen und meine Haltung zu schärfen, habe ich mich zusätzlich zur Individualpsychologischen Beraterin ausbilden lassen. Die Individualpsychologie ist für mich nicht nur eine psychologische Schule, sondern ein Menschenbild: Sie geht davon aus, dass jeder Mensch einzigartig, sozial eingebunden und grundsätzlich entwicklungsfähig ist. Dass Verhalten immer einen Sinn hat – auch wenn es uns auf den ersten Blick dysfunktional erscheint.

Die Verbindung zwischen Individualpsychologie und Bindungstheorie ist für mich besonders kraftvoll. Während die Bindungstheorie die frühe emotionale Entwicklung und Beziehungserfahrungen in den Fokus rückt, lenkt die Individualpsychologie den Blick auf die Lebensgestaltung, die bewussten und unbewussten Ziele, die Dynamik von Selbstbild und Lebensstil. Gemeinsam erlauben sie mir, Menschen ganzheitlich zu begleiten – mit einem feinen Gespür für ihre biografischen Prägungen, ihre gegenwärtige Wirklichkeit und ihr Potenzial zur Veränderung.

Traumasensibles Begleiten – der nächste Schritt

Doch meine Reise ist noch nicht zu Ende. Aktuell befinde ich mich in der Ausbildung zur traumasensiblen Coachin. Denn je tiefer ich in die Lebensgeschichten der Menschen blicke, desto klarer wird mir: Viele Verhaltensmuster, Beziehungskonflikte und emotionale Blockaden sind nicht einfach „falsche Entscheidungen“ oder mangelnde Motivation – sie sind Ausdruck früher Verletzungen, gespeicherter Überlebensstrategien und ungelöster Traumata.

Trauma verändert das Nervensystem, die Wahrnehmung, das Selbstbild – oft tiefgreifend und unbewusst. Menschen mit Traumahintergrund brauchen Begleiter:innen, die nicht nur Wissen mitbringen, sondern auch Präsenz, Achtsamkeit und ein feines Gespür für Tempo, Grenzen und Sicherheit. Traumasensibles Begleiten bedeutet für mich: Räume zu öffnen, in denen Heilung möglich wird – im eigenen Tempo, mit Würde und Respekt.

Ich bin überzeugt: Wenn wir verstehen, wie Trauma wirkt, können wir Menschen nicht nur effektiver, sondern auch achtsamer, liebevoller und wirksamer begleiten. Und wir können ein neues Verständnis von Stärke entwickeln – eines, das nicht auf Härte, sondern auf Verbundenheit beruht.

Eine Haltung, kein Konzept

Was als Zufall begann, hat sich im Laufe der Jahre zu einer beruflichen und persönlichen Haltung entwickelt. Einer Haltung, die auf Ermutigung, Beziehung und Wertschätzung beruht. Einer Haltung, die Menschen nicht durch Methoden verändern will, sondern durch Beziehung berührt. Ich habe gelernt, dass tiefgreifende Veränderung nicht durch Druck entsteht, sondern durch Sicherheit. Nicht durch Urteil, sondern durch Verständnis. Nicht durch Kontrolle, sondern durch Verbindung.

Diese Haltung prägt meine Arbeit – in Beratungen, Coachings, Seminaren und Vorträgen. Ich begegne Menschen mit der Überzeugung: Jeder Mensch handelt aus einem inneren Sinn heraus. Und jeder Mensch trägt in sich den Wunsch, dazuzugehören, zu wachsen und einen Beitrag zu leisten. Manchmal sind die Wege dahin verstellt – durch Schmerz, durch alte Muster, durch Überforderung. Aber die Sehnsucht bleibt. Und auf diese Sehnsucht reagiere ich mit Respekt, Geduld und einem echten Interesse.

Weitergeben, was trägt

Was ich heute weitergeben möchte, ist nicht nur Wissen. Es ist Erfahrung, Haltung und die tiefe Überzeugung, dass Ermutigung ein Menschenrecht ist. Dass jeder Mensch es verdient, sich als wirksam, wertvoll und verbunden zu erleben – unabhängig von seiner Geschichte. Ich möchte Räume schaffen, in denen Menschen wieder Zugang zu ihren inneren Stärken finden, in denen sie neue Perspektiven entwickeln und in denen Veränderung nicht als Leistung, sondern als Entwicklung verstanden wird.

Und so wird aus dem, was als Zufall begann, ein Weg. Ein Weg, der mich immer weiter führt – zu neuen Erkenntnissen, neuen Begegnungen und neuen Möglichkeiten. Und der mich immer wieder daran erinnert, warum ich diesen Beruf liebe: Weil er mich mit dem verbindet, was Menschen im Innersten ausmacht – ihrem Wunsch nach Verbundenheit, Sinn und Entwicklung.

One Comment

  1. A WordPress Commenter 3. April 2025 at 17:52 - Reply

    Hi, this is a comment.
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